Das Thema bezahlbare Energie treibt Bürger und Unternehmer um wie derzeit kein anderes. Je mehr Energie benötigt wird, desto drängender sind die Probleme – bis hin zur Sorge, dass die Gasreserven nicht reichen und bei Reglementierungen sogar die Stilllegung des Betriebes droht. Dabei gibt es durchaus Alternativen zu Putins Gas: Die A.H.T. aus Overath plant und errichtet Biomassekraftwerke – dezentral, umweltfreundlich und auch mit Abfall zu betreiben.
Am Rande des Overather Gewerbegebiets Diepenbroich hat Gero Ferges sein Unternehmen angesiedelt. Übernommen hat er es 2010 von seinem Vater, der zuvor bei Klöckner Humboldt Deutz arbeitete. Von dort brachte er eine Technologie des Otto-Motor-Erfinders mit, die bei A.H.T. nach und nach weiterentwickelt wurde: Mit dem sogenannten Doppelfeuer-Verfahren wird sauberes Synthesegas hergestellt, aus dem in Verbindung mit modernen Blockheizkraftwerken Strom und Wärme erzeugt wird.
Industrielle Nutzung
Für die Einspeisung in Gasleitungen für Privathaushalte ist das Verfahren eher nicht gedacht. „Unsere Kunden sind besonders energieintensive Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie“, erklärt Gero Ferges. „Sie brauchen entweder hohe Temperaturen oder haben einen hohen Strombedarf, etwa für Schmelzvorgänge oder das Behandeln von Oberflächen.“ Die Anlagen sind dementsprechend groß angelegt. Die kleinste Anlage hat bereits eine elektrische Leistung von 200 Kilowatt und eine thermische Leistung von einem Megawatt. Das entspricht in etwa der Versorgung von 500 Durchschnittshaushalten.“
Börsennotiertes Unternehmen
In Overath erfolgen die Auslegung und Planung. Gefertigt werden die Anlagen bei Partnern in Deutschland, teilweise in der Region. Inbetriebnahme und Schulung liegen wieder bei den Overathern. Die A.H.T. Syngas Technology ist ein in den Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse einbezogenes Unternehmen. „Der Weg zur Börse war aufwendig und teuer“, sagt CEO Ferges. „Jetzt aber bin ich sehr froh über die Möglichkeiten, zum Beispiel durch Contracting unsere Kunden in der Finanzierung der Anlagen unterstützen zu können.“
Energie aus Abfällen
Gero Ferges hält eine durchsichtige Dose mit seltsamen braunen Stückchen hoch. Bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich als Schalen von Cashewnüssen. Nussschalen, aufbereiteter Hausmüll, Reststoffe aus Industrieprozessen: „Wir nutzen alles das, was man nicht essen kann“, erklärt er. Die Verwertung von Lebensmitteln für die Energieerzeugung kommt für ihn nicht in Frage. Da gelte das Motto: Stoffliche vor thermischer Verwertung. Auch das, was als Viehfutter in den biologischen Kreislauf gehen kann, landet nicht in seinen Anlagen.
„Biogasanlagen sind auch gut, aber es gibt zu viele davon“, sagt Ferges. „Deshalb haben wir Felder voller Monokulturen, deren Früchte statt zu Menschen und Tieren in die Energieversorgung gehen“. Im Besprechungszimmer hat er eine ganze Reihe seltsamer Anschauungsobjekte ausgestellt, unter anderem einen abgenagten Maiskolben. „Der Mais für Mensch und Tier, die Spindel für die Energie – das wäre optimal!“, sagt der Verfahrenstechniker. Leider sei dies in den Verarbeitungsprozessen und auch in den Förderprogrammen so noch nicht angekommen.
Zirkuläre Wertschöpfung
Im Idealfall nutzt der Kunde seinen eigenen Abfall, den er sonst kostenpflichtig entsorgen müsste, zur Energieerzeugung vor Ort. Dies ist ein Aspekt der sogenannten zirkulären Wertschöpfung, welche die Vision von A.H.T. ist. Das Idealbild ist eine nachhaltige Wirtschaft, in der es so gut wie keine Abfälle mehr gibt – beziehungsweise diese als Rohstoff für neue Produkte genutzt werden.
Synthesegas kann zusammen mit Photovoltaik- und Windkraftanlagen ein nachhaltiges Gesamtpaket werden, das dezentral und damit weitestgehend unabhängig von der zentralen Versorgung ist. Die Gaserzeugung hat im Gegensatz zu Sonne und Wind eine gleichbleibende Grundlast. Zusätzlich vermeidet die dezentrale Nutzung Transporte und holt Wertschöpfung in die Region. „Bei Gas aus der Leitung und Strom aus der Steckdose liegt die Wertschöpfung meist eher woanders“, erläutert Ferges.
Steigende Rentabilität
Warum also hat nicht bereits jeder eine Anlage von A.H.T.? „Die Wirtschaftlichkeit der Anlagen war, unter den energiepolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland, lange Zeit nicht gewährleistet. Mit Gaspreisen von ein oder zwei Cent pro Kilowattstunde im industriellen Bereich kann eine nachhaltige und umweltschonende Energieerzeugung nicht mithalten. Durch die derzeitigen Entwicklungen auf dem Gasmarkt bieten sich mittelständischen Unternehmen nun hohe Wertschöpfungsmöglichkeiten und zusätzlich die Sicherheit, die Energieversorgung des eigenen Unternehmens selbst steuern zu können. Wie hoch die Wertschöpfung tatsächlich ist, hängt auch davon ab, welche Ausgangsstoffe verwendet werden. „Sind es Abfälle, die sonst entsorgt werden müssten, liegt das eigene Heizkraftwerk inzwischen definitiv besser als Erdgas“, sagt Ferges. Die Bereitschaft der Unternehmen, in eine eigene, unabhängige Infrastruktur zu investieren, sei zuletzt signifikant gestiegen.
Vom Ausland in die Region
Bislang ist A.H.T. überwiegend im Ausland tätig, etwa in Japan oder Indonesien, in denen es nicht überall eine zentrale Energieversorgung gibt. Wo erst ein kilometerlanges Stromkabel für die Produktion gelegt werden muss, wird die Investition in das eigene Blockheizkraftwerk rentabler.
„Wir würden uns sehr gerne näher vor die Tür bewegen“, sagt Gero Ferges. Was Forschung und Entwicklung angeht, ist A.H.T. bereits gut in der Region verwurzelt, zum Beispiel in Projekten mit der TH Köln.
Partner für Leuchtturmprojekte gesucht
Das Doppelfeuer-Verfahren, das den A.H.T.-Anlagen zugrunde liegt, arbeitet von unten und von oben. Gero Ferges sieht es auch als Symbol dafür, wie sich die Energielandschaft in Deutschland verändern ließe. „Wir müssen als Unternehmen von unten innovative und sinnvolle Beispiele schaffen, damit alternative Technologien von oben angenommen und umgesetzt werden“, so seine Überzeugung.
Mit dem aktuellen Rückenwind will er nun auch regional expandieren. Dafür sucht er zunächst Partner für Leuchtturmprojekte, die einen hohen Nutzen haben, und wo sich auch die Machbarkeit der dezentralen Energieversorgung gut darstellen lässt. Die Zusammenarbeit soll in jeder Hinsicht als Win-Win-Projekt gestaltet werden. „Wir sind nunmehr in der Lage, um ein vielfaches günstigere Energie aus Reststoffen, im Vergleich zu Erdgas oder LNG, zu produzieren und das CO2-neutral“, merkt Ferges an.
Autorin: Karin Grunewald
Fotos: A.H.T. Syngas Technology